Deutsch-Iranische Verhandlungen, ein Streichsextett und die jüdische Identität. Wer hätte gedacht, dass gleich drei komplexe Themen in einer Philharmonie aufeinandertreffen können? Mit dem Musikfest in Berlin uns dem Eröffnungskonzert war dies jedenfalls der passende Moment dafür. Unter der Leitung von Daniel Barenboim spielte die Staatskapelle Werke von Arnold Schönberg.
Leicht überrascht erhielt ich eine Nachricht von den Veranstaltern, dass sie sich freuen würden, wenn ich über das Musikfest hier im Blog berichten würde. Eigentlich ist Musik nicht ein Thema, über das ich schreibe, doch der Kombination aus Schönberg und Barenboim konnte ich nicht entgehen.
Foto: Holger Kettner, Berliner Festspiele
Oft gehen Leute in ein klassisches Konzert, nicht nur um Streich- und Blasinstrumente live zu hören, sondern auch um die Atmosphäre zu genießen und im gegebenen Rahmen die alltäglichen Gedanken schweifen zu lassen.
Immer wenn ich durch die Türen eines Konzerhauses gehe merke ich, dass sich die Atmosphäre und das Verhalten von Menschen verändert. Man könnte es so sehen, als ob die Zeit im Foyer bereits ein Teil des Schauspiels ist, welches eigentlich eine musikalische Darbietung ist. Hinter den Türen des Saales ist das Einstimmen der Instrumente zu hören. Im Foyer warten derweilen die Besucher und es wird sich kultiviert unterhalten. Ganz spannend ist es auch die Leute zu beobachten, wie sie sich kleiden und wie sie sich bewegen. Dann beginnt der Einlass. Auf dem eigenen Platz angekommen ist es nun der Zeitpunkt um die Große des Saales wahrzunehmen und sich darauf einzustellen angenehm zu sitzen und dabei die Musiker beobachten zu können. Während mehrere hundert Menschen den Raum betreten gibt es ein gewisses Grundrauschen, doch eigentlich fokussiert man sich bereits weniger auf die anderen. Dann wird das Licht gedämmt und die Musiker kommen auf die Bühne und das eigentliche Schauspiel beginnt. Mit dem Einzug des Dirigenten gibt es nun jemanden, der mit seinen Bewegungen und seinen Blicken den Raum, das Orchester und die Musik in seiner Kontrolle hat. Jetzt heißt es zuhören und weiterhin die vorgegebene Rolle als Zuhörer wahrzunehmen, keine Fotos zu machen, zu applaudieren wann es angebracht ist und die Musik zu genießen.
Mit Arnold Schönberg ist sicherlich keine einfache Musik ausgewählt worden, die Klassikern von Bach ähneln. Schönberg gilt als einer der Erfinder der Zwölftonmusik, die bis heute noch teilweise schrill und kontrovers ist.
Nachdem ich mich vom vibrieren des Smartphones lösen konnte und mich der Musik widmen konnte, begannen auch die Gedanken über den Verfasser der Werke. Wie seine Musik, ist auch das Schicksal Schönbergs kein einfaches. Geboren im Jahr 1874 in Wien wächst er in einer jüdischen Familie auf und findet schnell seine Passion in der Musik. Unter anderem auch durch den Kontakt mit seiner späteren Frau, aber auch theologischen Texten, konvertiert er zum Protestantismus. Religion prägt Schönbergs Werke immer zutiefst. Durch den politischen Rechtsruck in Deutschland muss seine Familie 1933 durch Frankreich in die USA fliehen. Der Nationalsozialismus bewegt Arnold Schönberg sich wieder dem Judentum zu bekennen. Während seiner späteren Arbeit an der University of California entstehen Kompositionen wie seine Interpretation von Kol Nidre, einer Liturgie, die in wenigen Wochen in den Synagogen anlässlich von Jom Kippur zu hören ist.
Das Leben von Schönberg, seine Pionierarbeit in Bereichen der Neuen Musik, sowie sein eigenes Verständnis der jüdischen Identität sind eine sehr spannende Kombination, die auf dem Musikfest zu finden ist. Auch Daniel Barenboim ist keine unumstrittene Persönlichkeit – sein Leben und seine Weltanschauung prägen ebenfalls.
Mit diesem Konzert wurde die Möglichkeit geboten sich intensiver mit Schönbergs Musik auseinanderzusetzen, sowie auch über Identitätsfragen nachzudenken. Noch bis zum 20. September gibt es die Möglichkeit Schönberg und weitere Komponisten beim Musikfest in Berlin zu erleben.