Heute fange ich an die Chanukkia zu erklären. Entstanden ist sie aus der Menorah, dem siebenarmigen Leuchter, welcher im Tempel in Jerusalem stand. Aus der Torah (Schmot 37,17-24 ) erfahren wir, wie sie aussah. Als Nachahmung entstand dann die Chanukkia, der neunarmige Leuchter, der zu Chanukka angezündet wird. Doch, wie wir bereits wissen dauerte Chanukka nur acht Tage; warum hat dann die Chanukkia neun Arme? Die Kerzen, die für die acht Tage des Wunders stehen, dürfen nicht direkt mit dem Streichholz oder Feuerzeug angezündet werden. Angezündet werden die Kerzen von dem Schamasch, dem Diener. Dies ist der Name der neunten Kerze der Chanukkia.
Der Schamasch hat seine besondere Position auf dem Leuchter, meistens in der Mitte oder am Rand. Zu erkennen ist er daran, dass meistens sein „Platzhalter“ auf dem Kerzenleuchter besonders ist, z.B. erhoben.
Eine schöne sefardische Geschichte erzählt, die ich als kleiner Junge in Amsterdam gehört habe:
In der antiken Stadt Konstantinopel lebte ein jüdischer Arzt mit dem Namen Nissim Rachamim.
Er war bekannt für seine Weisheit und seinen guten Kontakte zu den Patienten.
Eines Tages erfuhr dies der damalige Sultan.
Der Sultan, ein sehr neugieriger Mann, war begeistert von Nissim, dem Weisen. Er wollte ihn bei ihm zu Hause besuchen; am letzten Tag von Chanukka besuchte der Sultan Nissim und als er eintrat, da sah er, wie die gesamte Familie Nissims versammelt war und gemeinsam Lieder sang und mit dem Dreidel spielte.
Im Laufe des Abends erfuhr der neugierige Sultan alles über die Makkabäer, die Buchstaben auf dem Dreidel und über vieles mehr.
Nur eine Frage konnte Nissim ihm nicht beantworten: Acht Tage und jeden Tag zündet man eine Kerze an, doch ich sehe neun Kerzen. Warum ist das so?
Nissim zum Sultan: Die neunte Kerze zählt nicht, das ist der Schamasch, der Diener. Sie wird gebraucht um die restlichen Kerzen anzuzünden.
Sultan:
Warum befindet sich dann der Diener an einer höheren Stelle der Chanukkia?
Nissim:
Um das Licht der acht anderen Kerzen nicht zu benutzen, steht der Schamasch an einer höheren Stelle. Somit können wir sagen, dass wenn wir von dem Licht gebrauch machen, dann benutzen wir das Licht des Schamasch.
Der Sultan war nicht ganz überzeugt und meinte, dass die wahre Antwort nur unter Juden bekannt ist.
Es gibt eine versteckte Deutung. Er gab Nissim drei Tage lang Zeit, um das Geheimnis des Schmasch zu entlüften.
Was sollte Nissim tun? Was konnte er, von dem nicht existierenden Geheimnis, erzählen?
Alle Werke des Talmuds hatte er gelesen und studiert, doch nirgendwo war ein Geheimnis versteckt. Sollte er etwas erfinden, damit der Sultan zufrieden ist?
In der Nacht des zweiten Tages genoss Nissim die kühle Luft draußen und ein alter Mann ging neben ihm. Beide gingen schweigend nebeneinander, doch nach langem schweigen fangen beide an miteinander zu sprechen.
Nissim berichtete ihm von seiner Aufgabe, dem Sultan das Geheimnis des Schamasch zu lüften. Ich habe versucht dem Sultan alles zu erklären, doch er hatte mich beschuldigt etwas zu verheimlichen. Was soll ich ihm morgen sagen? Was für ein Geheimnis trägt der Schamasch in sich?
Der alte Mann reagierte, als ob er eine solche Frage erwartet hätte: Erzähl‘ dem Sultan, dass der Schamasch an einer höheren Position steht, damit er folgendes verkünden kann: Schaut mich an! Ich war einmal ein Teil einer fruchtigen Frucht, der Olive. Nach dem ich gewachsen bin und reif wurde schrie ich: Nimm mich und leg mich in die Olivenpresse! Nimm mein Öl, bis zum letzten Tropfen, damit ich nützlich sein kann. So nahmen sie mich und legten mich in die Presse, zogen meine Haut von mir, doch behielten mein Inneres, meine Seele und nun brenne ich, ein fröhliches Licht, welches die Dunkelheit verjagt. Lern von mir. Wir müssen das tun, was der Schamasch uns sagt, Torah und Licht verbreiten, den Kranken und Unterdrückten helfen und die Menschen lehren, die nichts wissen.
Somit können wir selbst weiser werden und die Welt kann auch von uns profitieren. Nissim hörte zu und Tränen kamen, er hob sein Kopf um dem alten Herr zu danken, doch er Herr war verschwunden. Es muss der Prophet Elijah gewesen sein, dachte Nissim. Nun kannte er selbst das Geheimnis des Schamasch und war bereit dem Sultan dieses Geheimnis zu berichten.
Ursprung der Geschichte: Nissan Mindel „Die Geschichte des Schamasch“ Tales and Stories; New York 1950. Frei übersetzt.