Während des Aufenthalts in Stockholm lernten wir Alba, eine sehr aufweckte und passionierte Kanadierin, die seit vielen Jahren in Valencia (Spanien) lebt, kennen. In ihrem Haus in Valencia hat sie einen Raum zur Synagoge umfunktioniert. Klingt alles noch ganz normal, doch sobald man hört, was sie macht, ist man zu Beginn ein wenig schockiert.
Seit vier Jahren bietet sie an, dass man bei Schabbatg-ttesdiensten per Telefon und seit anderthalb Jahren per Skype teilnimmt. Bei allen, zum Teil, tragisch-witzigen die man über liberale G-ttesdienste hört, ist so etwas doch schon sehr ungewöhnlich.
Alba berichtet über die Situation in Spanien und erzählt, dass es mehrere Gründe gibt, warum Leute per Skype oder Telefon bei Schabbatg-ttesdiensten teilnehmen wollen. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass viele Juden in verschiedenen geographischen Ecken Spaniens leben, wo es keine Synagoge in der Nähe gibt und sie es nicht schaffen, in die nächste Großstadt zu fahren. Andere haben Babies und können daher nicht aus dem Haus, oder haben komische Arbeitszeiten wie Ärzte, Polizisten oder Anwälte. Viele sind dazu noch in einer Ehe mit einem nichtjüdischen Partner welche/r nicht am Judentum interessiert ist und um die Ehe nicht zu belasten, praktizieren sie einfach "von Zuhause".
Abgesehen von den Schabbatg-ttesdiensten beitet die Synagoge La Javurá noch verschiedene Veranstaltungen/ Aktivitäten zu Feiertagen, die mit Natur und Bildung, wie Tu BiSchwat und Schawuot an. Ebenfalls per Skype und Telefon werden Hebräischkurse angeboten, momentan gibt es zwei Schüler aus Chile, und ein Seminar mit dem Thema der Einführung in das Judentum.
Sobald man versteht, warum so etwas gebraucht wird, wird man neugierig und möchte einen Schabbatg-ttesdienst live erleben.
Um 20 Uhr schaltet man Skype an und ruft bei Alba an (Kontaktmöglichkeiten gibt's am Ende des Eintrags), sobald das Gespräch akzeptiert ist sieht man einen gemütlichen Raum mit einem großen Tisch in der Mitte, vielen Büchern der Bibliothek, zwei Torarollen, jede hat ihren eigenen Aaron HaKodesch und verschiedene Pflanzen, unter anderem Granafapfelgewächse.
Im Raum selbst wird man sehr herzlich empfangen von Alba, sie gibt eine Videotour durch den Raum und stellt auch die Leute vor, die vor Ort sind. Nach kurzer Zeit beginnt der gemeinsame G-ttesdienst. Jeder nimmt teil. Man singt bekannte Melodien und liest auf seiner Muttersprache die Übersetzungen. Für die meisten ist es Spanisch, allerdings sind auch andere Sprachen erwünscht.
Momentan ist es tierisch heiß in Spanien, so um die 35+ Grad, so das fast jeder mit einem Fächer, wie ein Flamencotänzer, umher wedelt.
Während des G-ttesdienstes hört man plötzlich das Telefon klingeln. Hier in Deutschland wäre man rausgerannt und es wäre einem richtig peinlich. Doch hier ist es ein Gemeindemitglied welches aus Barcelona anruft und gerade erst nach der Arbeit nach Hause gekommen ist und auch unbedingt beten möchte.
Nach der Amida wechselt man den Siddur gegen einen Chumasch. Da die meisten nur Freitags kommen können, liest man die gesamte Parascha (Wochenabschnitt) in Spanisch, bzw. einer anderen Sprache. Damit auch alle wirklich lesen, wird Alijahweise gelesen, sprich jeder liest einen Teil des Wochenabschnitts; auch beim Maftir. Wie normalerweise es am Samstag gemacht wird, liest man anschließend den passenden Abschnitt der Haftara aus dem Buch der Propheten.
Anschließend kann man die gelesene Parascha und Haftara kommentieren und eine eigene Meinung äußern. Alba und ich bei einem witzigen Gespräch (Foto: Beto Maya)
Zwischendurch ruft wieder jemand an. Dieses Mal ist es nicht jemand der gerne mitbeten würde, sondern Miriam, the sushi-lady. Miriam ist Japanerin und wuchs in Brasilien auf und ist nun mit einem Spanier verheiratet. Gemeinsam haben beide einen japanischen Laden und machen täglich frische Sushi. Als Dank dafür, dass Alba Miriams Tochter Englisch beibringt, kriegt Alba immer Sushi am Abend. (Allein die Susi wären für mich ein Grund zum G-ttesdienst dort hin zu gehen.) Miriam fragt, ob sie die leckere Mahlzeit bringen kann. Ein deutliches Zeichen dafür, dass das Ende naht.
Am Ende liest man das Schlussgebet, da kommt auch schon Miriam mit den Boxen voll mit Sushi für alle Betenden in der 15 Quadratmeter Synagoge und winkt ganz fröhlich in die Kamera.
Nach dem Segenspruch für Wein fängt man an gemeinsam zu essen und man unterhält sich mit den Leuten die per Telefon anrufen oder per Skype verbunden sind. Ein echt einmaliges Erlebnis.
Wer mal teilnehmen möchte findet alle Infos hier.