Die vergangen Wochen verbrachte ich in Stockholm, durch meine alltägliche Konfrontation mit der Stockholmer Gemeinde kam ich dazu, dass ich ein bisschen über das jüdische Leben in Stockholm berichte.
In Stockholm leben zurzeit über 12.000 Juden, von ihnen sind nur zirka 4.400 Mitglied in der Gemeinde. Die Gemeinde besitzt drei aktive Synagogen, von ihnen sind zwei kleine Orthodox und die Große Synagoge, die sich seit neustem der Masorti-Bewegung angehört, allerdings demnächst einen liberalen Rabbiner haben wird.
Adas Jeshurun, eine orthodox orientierte Synagoge, die sich im Gemeindekomplex in Östermalm, dem wohlhabenen Bezirk in Stockholm, befindet, stammt ursprünglich aus Hamburg. Nachdem sie die Kristallnacht überstanden hat, wurde das gesamte Interior von Rabbi Carlebach in Pakete verpackt und als "Restmüll" nach Schweden verschickt. Die zweite aktive orthodoxe Synagoge, Adat Israel, befindet sich in einem Wohnhaus in Södermalm, täglich finden hier Gebete statt.
Abgesehen von den aktiven Synagogen haben wir bei einem Stadtrundgang eine weitere Synagoge entdeckt, sie befindet sich in der Altstadt, Gamla Stan, auf dem Tyska Brunnsplan, dem "Deutschen Brunnen Platz". Vor dem die Große Synagoge in Stockholm eröffnet wurde, wurde sie zwischen 1795 und 1870 genutzt. Anschließend diente das Gebäude rund 80 Jahre als Polizeiwache.

Der erste Jude in Stockholm war Aaron Isaac, ein deutscher Kaufmann. Er kam 1774 nach Stockholm, mehr als ein Jahr lang dauerte es, bis er das Wohnrecht erhielt und arbeiten durfte. König Gustav III. erlaubte es ihm einen Minjan mitzubringen, einen Rabbi einzustellen und einen jüdischen Friedhof zu erbauen. Um all diese Rechte zu erhalten, mussten Isaac und die anderen Juden 2000 Silberkronen bezahlen. Zu der damaligen Zeit entsprach diese Summe 20 Jahreslöhnen.
Erst im Jahr 1870, mit der Eröffnung der Großen Synagoge erhielten die Juden uneingeschränkte Rechte. Fredrik Wilhelm Scholander, der sonst Kirchen baute, entwarf die Große Synagoge. Scholander nannte die Synagoge eine Paraphrase orientalischer Motive. In der Tat sieht das Innere der Synagoge nicht wirklich typisch aus. Abgesehen von der orientalischen Verzierung besitzt die Große Synagoge eine Orgel. Heute gibt es in der Gemeinde zwei Kantoren, sowie zwei ehemalige Gemeinderabbiner. Etwas, für deutsche Verhältnisse untypisches, allerdings etwas, was sehr nötig wäre, ist eine Spielecke in der Synagoge für Kleinkinder. Ich habe selbst erlebt, dass junge Familien mit Kindern kommen und die Kinder in der Ecke spielen und ab und zu mit einem Plüschtier oder einem Buch durch die Synagoge rennen und die Leute sich darüber freuen. Somit macht man die Synagoge nicht nur für Kinder, sondern auch für junge Eltern attraktiv. Montags und Donnerstags gibt es in der Großen Synagoge um 8:15 immer eine Toralesung mit anschließendem Frühstück und kleinem Schiur.
Abgesehen von den drei Synagogen besitzt die Gemeinde einen Kindergarten und eine Schule. In den Ferien gibt es im Glämsta Sommerlager, welches in diesem Jahr sein hundertjähriges feiert, Machanot für Kinder, Familien und Senioren. Natürlich darf auf Limmud in Schweden nicht fehlen, welches im November stattfindet.
Einmalig ist das Europäische Institut für Jüdische Studien, auch als Paideia bekannt. Im Jahr 2001 von Barbara Spectre gegründet, bietet das Institut viele Programme, unter anderem ein 1-Jahr-Programm für das intensive Studium jüdischer Texte, an.
Für die Hilfe bei meiner Recherche danke ich Marianne Prager. Falls jemand mal eine tolle Tour in Stockholm machen möchte, soll er sich einfach bei Marianne melden.
Alle Fotos aus Stockholm gibt es bei Flickr.