Einige Leute haben mich gebeten darüber zu schreiben, wie es so nach Limmud eigentlich mit Limmud.de aussieht.
Und hier bin ich, mit meinem kleinen Erlebnisbericht über Limmud.de 2009 und die Zeit danach:
Abschiedsfoto: Judith und ich mit Torah
Damit man versteht, wie die Zeit nach Limmud ist, muss man erst einmal wissen, wie es vor Limmud aussah.
Was viele vergessen, aber dennoch ein wichtiger Kernpunkt bei Limmud ist, wir sind alle ehrenamtlich da, keiner von unserem Team arbeitet Hauptberuflich bei Limmud (auch wenn es manchmal so erscheint). Jeder von uns hat einen Beruf/bzw. studiert als Haupttätigkeit.
Dennoch war/ist Limmud ein wichtiger Bestandteil des Alltags von vielen in unserem Team. Besonders merkte man dies, wenn viele wichtige Entscheidungen während meiner Unterrichtszeiten in der Schule fielen und ich immer mit meinem kleinen Wundergerät (ohne jetzt Werbung für eine bestimmte Firma zu machen, die u.a. Macs produziert) entscheiden musste. Natürlich war ich nicht der Einzige, jeder von denen, die mehrere duzend, bis zu mehreren hundert, Mails pro Tag erhielten.
Besonders schlimm waren immer die Mittwoche, an diesem Wochentag gab es immer besonders viele Emails und alles fing mit einem historischen Ereignis an, dem Mittwoch, an dem wir erfahren haben, dass wir unser altes Logo, welches im Design von Limmud UK war, nicht mehr benutzen dürfen. An diesem Tag ist eine solche Panikflutwelle entstanden...Leute, so etwas rate ich euch nicht zu erleben.
Nach diesem besonderen Mittwoch war jeder einzelne Mittwoch ein Katastrophentag. Mit Ausnahme des Mittwoches vor Limmud. An diesem Tag waren die meisten Mitglieder des Core-Teams schon beim Werbellinsee und wir trafen die letzten Entscheidungen vor Limmud. (dazu später mehr)
Was man sich also merken muss ist, dass ab Dezember 2008 bis zum 30. April 2009 jeder Tag sehr stark geprägt durch Limmud war.
Wenn man gerade nicht gegenseitig Emails geschrieben hat, so telefonierte/skypte man stundenlang und besprach irgendwelche Angelegenheiten. (aber wofür gibt es den die Flatrate für's iPhone, Benni :-)
Man muss echt vor Augen haben, dass wir innerhalb von echt kurzer Zeit ein super Festival geschaffen haben, bei dem mehr als 450 Leute teilgenommen haben und die Möglichkeit hatten bei 200 Workshops dabei zu sein.
Eine wichtige Neuerung, die wir dieses Jahr hatten war unsere Präsenz im Web und Design im Allgemeinen. (Intern hoffen Judith und ich, dass es doch mal einen Limmudinternational-Creativity-and-Design-Award geben wird; wir werden sicherlich gewinnen).
Judith hatte einen echt tollen Flyer, auch bekannt als Waschzettel, geschaffen, welcher in alle Gemeinden Deutschlands verschickt wurde und in vielen Gemeindezeitungen präsent war und auch in seiner knalligen Farbe gestrahlt hat. Meine Wenigkeit hat eine komplett neue Webseite entworfen, die vollständig auf drei Sprachen verfügbar ist und täglich mehrere hundert Male angeklickt wird. (übrigens, aus knapp 30 Ländern)
Die Webseite ist entstanden aus stundenlangen Gesprächen mit Benni. Wir hatten die Idee, dass wir vor Chanukka das neue Design mit der offiziellen Bekanntgabe über Limmud.de 2009 uploaden. Dabei haben wir einige Leute (die jetzt z.T. gar nicht mehr bei Limmud sind) gebeten, die Texte zu aktualisieren und uns zu schicken. Dann saßen wir 2 Tage vor Chanukka da und merkten, dass wir so gut wie keinen einzigen Text bekommen haben. Daher mussten wir teilweise Nachts und im Anschluss Tagsüber diese Texte neu schreiben. Momentan ist die Seite ein bisschen schmaler, da es keine "Praktischen Tipps" usw. für die Teilnehmer gibt, aber vor dem nächsten Limmud erscheinen diese Seiten sicherlich wieder.)
Und es kam der 21. Dezember 2008 und in der Nacht davor haben wir gegen 3 Uhr (o.ä.) aufgehört an Limmud zu arbeiten, weil wir einfach den gesamten Tag davor damit verbracht haben. Am 21. war es auf einmal echt komisch, als wir merkten, dass wir echt noch viel Arbeit vor uns hatten. Die Leute, die uns eigentlich helfen sollten, hatten nichts gemacht und wir waren ein bisschen sauer (sehr stark untertrieben).
Wir saßen den gesamten Tag vor dieser neuen Webseite und haben die Texte in das neue Design gepackt und alles noch einmal kontrolliert. Es kam zu dem Augenblick, an dem eigentlich schon die erste Kerze angezündet werden müsste, aber wir hatten die Webseite immer noch nicht hochgeladen. Wenige Stunden nach dem offiziellen Beginn von Chanukka war die Seite auch schließlich online. Ein riesiger Stein ist von unserem Herzen gefallen; eine komplett neue Webseite mit schönem Design und Anmeldeformular für 2009 war im Netz.
Um die Geschichte über die Webseite zu verkürzen: Nach drei Wochen schreibe ich Judith und Benni eine Mail mit einem geheimen Link zu einem komplett zu einem komplett neuen Webdesign von Limmud.de....es folgen lange Erklärungen und Entschuldigungen, da man das neue Design einfach viel moderner und offener findet, als das "Alte"....wenn man ein Gespräch zitieren darf: "Die aktuelle Seite sieht echt sehr gut, strukturiert und toll aus, aber diese Seite ist noch besser. Sorry Alex :-)"
So wurde das Design, dass nicht einmal einen Monat alt war, ersetzt und die Limmud.de wurde erneut gerelaunched. Seit dem wurde es nur verbessert und verschönert (z.B. der Javascript rund um die Diashow auf der Startseite etc.).
Ein weiterer toller Schritt zu Web 2.0 ist unsere Präsenz bei Facebook und Twitter. Über Twitter haben wir lange Zeit diskutiert mit Benni, "brauchen wir echt noch so etwas?" Da die gesamte Menschheit auf einmal von dem Phänomen Twitter sprach, habe ich eine Zeit lang gesagt, dass es echt nicht nötig wäre für Limmud bei Twitter zu sein, wofür brauchen wir Twitter? Doch nach einigen Wochen habe ich einen Account angelegt und seit dem zwitschert Limmud.
Doch die Webseite ist nicht die einzige Aufgabe von Limmud und vor mir gewesen. Da gab es auch noch viele wichtige Entscheidungen über den Verlauf von Limmud, das Programm (welches Andrea dieses Jahr super zusammengestellt hat), sowie Meinungsdifferenzen und auch das Kinderprogramm.
Wir kommen nun zu der heißen Phase - der Ankunft auf unserer Anlage einen Tag vor Limmud.
Nach einer schönen und entspannten Nacht ohne eine einzige Limmud-Mail (seit 4 Monaten gab es so eine Nacht nicht) kam ich nach Berlin um von dort aus mit Benni und Julia weiterzufahren zum Werbellinsee, wo unser Festival stattfinden würde.
Zu dritt fuhren wir in einem kleinen Corsa, der vollgepackt mit Taschen voller Technik und drei Koffern mit unserer Kleidung etc. war.
Nach einer kurzen Situation, in der wir gemerkt haben, dass wir eher in Richtung Hamburg und nicht Werbellinsee fahren, sind wir schließlich angekommen. Währenddessen klingelte schon das Handy und Monteure warteten auf uns um die Bühne aufzubauen und so weiter. Während des Tages hatten wir einiges aufgebaut und einfach nötige Sachen auf Limmud vorbereitet.
Es war so ruhig und angenehm und wir wussten, dass in weniger als 24 Stunden mehrere hundert Menschen dort sein werden, wo wir gerade sind.
Am Abend gingen wir noch zur Entspannung zu in ein Restaurant am See, dort war alles toll, die Stimmung und das Essen; bloß gab es dort auch Mücken. Wir haben die Teilnehmer auch schon vorgewarnt, dass es am See und auf unserer Anlage durchaus welche geben kann. Doch wir wurden überfallen von diesen Mücken. Sie waren klein, konnten aber durch Jeans und andere Kleidung hindurch stechen. Als wir die Kellnerin gefragt haben, ob es normal sei, dass es so viele gibt, antwortete sie: "Jetzt sind es ja noch wenige; Juli-August, da sind es erst richtig viele!" Wir Großstadtkinder waren schockiert. Einerseits über die Gelassenheit der Kellnerin und andererseits darüber, dass wir schon nach wenigen Stunden an allen möglichen Körperstellen gebissen wurden.
Wir hatten überlegt, für das nächste Jahr ein riesiges Moskitonetz über die gesamte Anlage zu legen, diese Idee wir aber leider scheitern, da es echt unmöglich ist, die Anlage flächendeckend zu schützen.
Irgendwann spät abends hatten wir dann die Idee, dass jeder Badge (Namensschild) in einem Briefumschlag gelegt werden soll, auf dem dann der Name und die Zimmernummer steht.
Die Idee war ganz toll, doch der Arbeitsaufwand immense. Nach mehreren Stunden gut gelaunter Arbeit waren wir fertig (dies bitte so verstehen, dass wir fertig waren mit dieser Aufgabe und auf fertig waren mit unserer Kraft). Wir gingen in unsere Zimmer, die in (noch) leerstehenden Häusern waren, dort wo in der kommenden Nacht alle übernachten würden.
Am nächsten Morgen schien erneut die Sonne und die letzten Vorbereitungen, welche für die Ankunft die Leute nötig waren, mussten getroffen werden. Toby und der Rest kümmerte sich um Stühle etc. und Frauke und ich markierten auf dem Boden mit meterlangen Pfeilen und dem Schriftzug "Limmud" den Weg über das Gelände.
Ein großes Problem für eine solch moderne Gruppe von Menschen war das Internet während Limmud.de. Wir hatten schon vorgesorgt und einen Webstick besorgt, damit wir wenigstens mit einer ultralangsamen Internetverbindung surfen können. Als wir einmal am Tag vor Limmud über das Gelände zu der Rezeption gingen, haben wir erfahren, dass es ein offenes WiFi Netzwerk gibt. Somit konnte Naomi live während Limmud bloggen.
Nun war es kurz vor der ersten Busankunft, die Anmeldetische wurden eröffnet, unser Team hat sich verteilt und ist bereit die ersten Limmudniks willkommen-zu-heißen.
Badges wurden auf Grund eines Aussprachefehlers von mir zu Budges umbenannt und später wurden sie sogar öffentlich als Budges bezeichnet. Ein Budge ist die Kombination aus Badge und einem "Ask me" - Button, den viele von uns getragen haben.
Da man als Team-Mitglied von Limmud eher wenige Workshops erleben kann, gibt es von mir wenige Berichte über die Workshops, sondern mehr darüber, was so parallel dazu passiert ist.
Ein wichtiger Teil des Limmud-Unterhaltungsprogramms (intern) war der Verkauf der Jurte (welche auf unserem Gelände stand). Frauke und ich führten mehrmals täglich Gespräche darüber, welche Farben die Jurte haben soll und wie hoch sie über dem Boden schweben soll (dies ist eine Anspielung auf den experimentellen G-ttesdienst, welcher in der Jurte stattgefunden hat). Bis heute gibt es keinen unterzeichneten Kaufvertrag zwischen Frauke und mir. Wir können uns einfach nicht entscheiden, wie viel pink und wie viel türkis gebraucht werden soll im Innenraum des Jurte. Außerdem ist die Belüftung sehr fragwürdig.
Ebenfalls war das Abend-/Nachtprogramm bei Limmud (intern) auch ganz lustig. Jeden Abend gab es etwas tolles/aufregendes/witziges. Wie man Nachts gegen 1 Uhr an Schabbat openair Abendessen gemacht hat auf einer Bank, die immer dazu neigte zu kippen. Ein unvergessliches Erlebnis war das Karaokenight nach Schabbatende. Wie auch schon letztes Mal gab es ein Angebot israelische Lieder, in Form von Karaoke, zu singen. Als Benni, Julia und ich gegen 2 Uhr dort ankamen und eigentlich schon abschließen wollten, kamen wir in eine Karaokeparty mit kitschigen Lovesongs, allerdings war es irgendwie so, dass die CD nicht richtig laufen wollte und zwischendurch einen kleinen Hänger hatte.... IIII willllll al-way-ssssss love you-uuuuuu.... und andere Lieder wurden gesungen. Im Hintergrund gab es immer den gleichen 80er/90er Film von zwei Jugendlichen die zu einander rennen und immer wieder ihre Hände in die Luft reißen. Ein unvergesslicher Abend...es war echt witzig für uns drei dort zu sein.
Für nächstes Jahr planen wir schon unseren eigenes Karaokeangebot mit kitschigen Songs, stimmts Julia? :-)
Während des Festivals gab es natürlich auch ein paar Teilnehmer, die für uns unvergesslich waren, bereits beim Einpacken der Badges am Tag vor Limmud haben wir gemerkt, dass wir zu fast jedem Namen etwas sagen können. (Was? - Das bleibt Betriebsgeheimnis) Solche Teilnehmergeschichten werde ich hier nicht erzählen, da dies sonst einfach zu brutal wäre.
Ein großes Problem war der Schlafmangel (eigentlich auch z.T. vor Limmud), doch während Limmud war es echt extrem. Ich hatte die ganze Zeit über ein Gefühl von eiskaltem Wetter, welches mich umgibt. Daher saß ich immer mit unseren Teammitgliedern in der Sonne bei mehr als 20 Grad und einem dicken weißen Limmud-Pullover. Aber sonst war die Gesundheit kein großes Hindernis.
Im Prinzip war Limmud eine tolle und einzigartige Möglichkeit, wir haben etwas hinbekommen, was sonst fast nicht möglich ist: Eine Plattform, bei der alle möglichen religiösen Strömungen vertreten sind und auch bereit sind einen Dialog zu führen und gemeinsam zu lernen und Schabbat zu begehen.
Der Abschied war irgendwie schnell, die Zeit ist verflogen. Die monatelangen Vorbereitungen sind auf einmal Realität geworden.
Nach Limmud gab es dennoch genug zu tun. Würde man eine Limmud-Mail-Maßeinheit einführen, so würde man denken, dass nach Limmud echt vor Limmud ist, da eine riesige Mailflut ankam. Man hat telefoniert usw. Eine fröhliche Stimmung!
Direkt am Tag nach Limmud wurden hunderte Fotos hochgeladen, die komplette Webseite war auch schon in "Nach Limmud ist vor Limmud" Modus.
Für einige aus unserem Team ist es echt ungewöhnlich, dass wir auf einmal doch nicht mehr so viele Emails erhalten, wie wir vorher hatten, daher schrieben und schreiben wir uns immer noch Mails, z.T. mit relativ sinnlosen, aber auch lustigen Inhalten:
Hallo Herr ...,
ich habe mal eine Frage. Dieses Jahr war ich das erste Mal in meinem Leben bei Limmud. Seitdem es vorbei ist, habe ich das Gefühl, dass ich kein Leben mehr habe. Alles läuft nur so an mir vorbei und ich kann mich an nichts mehr erfreuen. Können Sie mir helfen? Vielleicht können Sie mir Leute nennen, denen es genauso geht und mit denen ich eine Gruppe gründen könnte, um über meine Gefühle zu sprechen? ;o))
Mit herzlichem SCHALOM,
Nadine
(einsam, deprimiert und gelangweilt)
Von daher, wie wir selbst merken: Nach Limmud ist vor Limmud!
Ich hoffe, dass dieser sinnlose Beitrag von mir ein bisschen mehr darüber erzählen, wie es bei Limmud war und wie viel Spaß es macht bei Limmud mitzumachen.