Dieses Wochenende besuchten wir, meine Eltern und ich, ein paar alte Bekannte in Straelen. Kaum zu glauben, es ist eine kleine Stadt, die gerade einmal knapp 8 Kilometer von Venlo (NL) entfernt ist und dennoch in Deutschland liegt.
Wir kamen relativ schnell von der Autobahn und fuhren eine niemals endende Landstraße mit Feldern bis zum Horizont von beiden Seiten. Plötzlich gelangten wir auf den Stadtring von Straelen. Was muss man sich unter einem Stadtring einer knapp 15.000 Seelen Stadt vorstellen? Es ist eine schmale Einbahnstraße, sie ist allerdings in Fachjargon der "Stadtwall". Da wir ein bisschen zu schnell eine der Kurven des "Stadtwalls" fuhren, verpassten wir unsere Ausfahrt in eine noch kleinere Gasse im Stadtkern.
Wir fuhren eine erneute Runde und dachten uns, dass es dieses Mal doch klappen wird. Wie erwartet, wir kamen schließlich in diese noch kleinere Gasse und gelangten in den Stadtkern. Allerdings dachten wir uns, dass diese Gasse etwas länger ist, als sie war, so waren wir auf einmal waren wir, erneut, auf der anderen Seite des Walls angelangt. Die Situation im Wagen wurde angespannter. Wir fuhren "extra langsam", sprich die eigentlich erlaubte Geschwindigkeit. In der Gasse angekommen parkten wir bei der ersten Möglichkeit und waren froh, dass wir schließlich ohne Auto in der Stadt unterwegs waren. Bereits nach wenigen
Minuten Fußweg standen wir vor dem Haus Nr. 15-19. Wir schellten an der Tür und da öffnete uns bereits eine Bekannte von uns die Tür.
Nach einer warmen Begrüßung war es Zeit, dass wir ein bisschen diesen, für uns unbekannten, Ort erkundeten.
Das "Übersetzer-Kollegium" ist das Mekka für professionelle Übersetzer, hier können sie sich konzentrieren und Bücher übersetzen. Das im Jahr 1978 gegründete "Übersetzer-Kollegium" in Straelen hat eine einmalige Kollektion von Nachschlagewerken, die für die Übersetzung benutzt werden können. Mehr als 110.000 Bücher in 275 Sprachen und Dialekten.
Erst im Sommer diesen Jahres wurde der Roman "Die Mittagsfrau" von Julia Franck, in diesem Kollegium, parallel in 18 verschiedene Sprachen übersetzt.
Bis zu 750 Übersetzer kommen jedes Jahr hier hin. Erst dachte ich, was ist denn schon so besonders, dass viele Leute hier herkommen um ein Buch zu übersetzen? Können diese Leute sich nicht einfach im Zimmer ihres Hauses einschließen und nicht rausgehen bis sie fertig sind? Doch desto länger ich in diesem Haus war, desto besser verstand ich, warum diese Leute in dieses Kollegium kamen.
Jeder hat ein eigenes Zimmer und im ganzen Haus gibt es über 40 Computer, falls man ein Wort nicht genau weiß, wie man es möglichst sachgerecht übersetzen kann, so bedient man sich den vielen Wörterbüchern aus der Bücherei. Man muss sich vorstellen, dass dieses Kollegium mehrere Häuser in eins verein hat, darum ist es so, dass die Bibliothek nicht nur in einem großen Raum zu finden ist, sondern auf kleinen Zwischenetagen, auf Treppen, aber auch im Innenhof, der nun überdacht ist. Vor vielen Jahren war es mal ein Kloster. 
Wenn jemand hier arbeitet, dann wird es respektiert und es ist echt leise, das einzige was man hört, sind die Schritte auf dem Parkettboden, aber daran haben sich die Übersetzer hier gewöhnt. Damit sie allerdings auch während ihrer Arbeit nicht vergessen, wie man mit Mitmenschen kommuniziert ist es so, dass es eine Gemeinschaftsküche gibt, hier treffen sich alle und essen oder trinken Tee. In kleinen gemütlichen Ecken der Bibliothek, zwischen Wörterbüchern auf dem arabischen und Sachwörterbüchern für den Maschinenbau (deutsch-französisch), findet man noch nicht zu Ende gespielte Partien Schach.
Viele verbringen manchmal Monate in diesem Haus, es kommt immer darauf an, wie umfangreich das Werk ist, welches man gerade übersetzt. Im Prinzip kann man unbegrenzt lange hier wohnen, dazu kommt noch, dass es so gut wie nichts kostet, außer einer kleinen Wochengebühr. Allerdings kommt man nicht einfach so dort hinein und lebt dort eine Zeit lang. Man muss professioneller Übersetzer sein und einen Vertrag, für das jeweilige Buch, von einem Verlag haben.
Erst dann kann man in das Europäische Übersetzer-Kollegium einziehen und dort die Ruhe und Idylle genießen. Wer allerdings in die Bibliothek möchte, der kann da jederzeit hinkommen, dafür muss man sich einfach nur kurz anmelden.
Mehr Informationen zum Übersetzer-Kollegium gibt es hier.
Mehr Fotos, die ich während des Aufenthaltes dort gemacht habe, gibt's hier.