Seit mehr als einem Jahr veranstaltet man, auf Basis einer privaten Initiative, wird ein Kabbalat Schabbat G-ttesdienst durchgeführt.
Wie unterscheidet sich dieser G-ttesdienst von den anderen G-ttesdiensten?
Vielleicht weil er zuerst im jüdischen Seniorenheim, dann in der kleinen Synagoge und schließlich in der jüdischen Schule. Vielleicht aber auch, weil sich Menschen aus vielen Städten dort treffen.
Oder auch, weil Frauen gemeinsam mit Männern sitzen. Vielleicht aber auch, weil das Gebetbuch auf hebräisch, deutsch und englisch geschrieben ist und das Gebet wird auch auf den Sprachen geführt.
Es kann auch sein, dass er sich von der anderen dadurch unterscheidet, dass viele das Gebet leiten und nicht nur ein Vorbeter; und das der Vorbeter in diesem Fall eine Frau ist. Die Melodien sind nicht die klassischen deutschen Melodien.
Natürlich kann es auch daran liegen, dass die Räumlichkeiten immer mit Blumen geschmückt sind.
Die tolle, warme, familiäre Atmosphäre könnte ebenfalls ein Grund sein.
Wenn es schon so viele Unterschiede gibt, was für Gemeinsamkeiten gibt es?
Man zündet die Schabbatkerzen an, man liest bekannte Passagen aus den Gebeten und Psalmen, der Kiddusch, man trifft Freunde, man empfängt herzlich den Schabbat...
Alle obengennaten Punkte treffen auf diesen G-ttesdienst zu.
In Deutschland gibt es in den letzten Jahren immer mehr liberale G-ttesdienste, die auf dem geschichtlichen Ursprung beruhen, mit der Zeit werden Gemeinden wiedergeboren, die vor dem Weltkrieg existiert haben. Zur gleichen Zeit darf man nicht vergessen, dass es in der aktuellen jüdischen Bevölkerung Deutschlands auch noch englisch-, amerikanischsprachige Juden gibt, die ihre Traditionen bewahren, die im Gegenteil zu den Osteuropäisch-jüdischen Traditionen sich gestärkt haben. Englisch-, amerikansichsprachige Juden bewahren ihre Traditionen, sie sind keine sekulären Juden, sondern tragen bereits eine bestimmte Basis und Erfahrung mit sich, egal ob sie orthodox, konservativ oder liberal sind.
Dies ist einer der wenigen G-ttesdienste in Nordrhein-Westfalen, der von einer Frau geleitet wird.
Susan Borofsky führt durch das Gebet mit Melodien, die sie aus ihrer Heimat Amerika kennt, dort wo sie eine lange Zeit ihres Lebens verbracht hat.
Einige Worte über den G-ttesdienst diesen Freitag. Er war vielleicht daher besonders, weil er nur wenige Tage bevor Rosch HaSchana war.
Dies merkte man bereits am Anfang. Anstatt eine kleine Geschichte über Kawanah* (unten findet Ihr die Erklärung des Begriffes) zu lesen, wurde dieses Mal die Geschichte erzählt, über den König, der gerade sein Königreich erkundet und für Menschen erreichbar ist, die ihn suchen.
Alte Gebete erklangen in neuen Melodien; aus dem traditionellen Schalom Aleichem Melodie wurde eine Wild-West Melodie.
Der Anwesende Gastrabbiner erzählte über die Bedeutung des Kaddisch und dass man nicht unbedingt stehen muss und das der Kaddisch normalerweise ein Trenngebet zwischen Teilen der Liturgie ist.
Ich hielt ebenfalls eine Rede, die Ihr hier nachlesen könnt.
Passend zu dem Monat Elul, in dem wir uns befinden, wurde der Psalm 27 gelesen und erklärt.
Einige aktive Kinder waren anwesend, die hebräisch lesen und singen konnten, sangen laut und genossen die Stimmung, auch wenn manchmal die richtige Melodie laut sangen.
Nach dem Gebet ging es genauso familiär weiter, wie es schon während des G-ttesdienstes war.
Auch wenn der G-ttesdienst hier später als der traditionelle G-ttesdienst beginnt und die Teilnehmer noch einen langen Rückweg vor sich hatten, blieben alle und sprachen miteinander, aßen Kuchen und tranken einen guten koscheren Wein. Es gab genug von allem.
Nicht zu vergessen, wir alle stehen kurz vor Rosch HaSchana stehen, wurden passende Lieder gesungen, zwischen professionellen Musikern gab es kleinere Diskussionen, welche Melodie die richtige sei und welche Noten dazu passen.
Alle waren glücklich den Schabbat gemeinsam empfangen zu haben; meine Mutter und ich erinnern uns immer an einen Satz, den eine ältere Frau zu meiner Mutter gesagt hat, als wir eine nichtorthodoxe Synagoge in Jerusalem besuchten: "Honey, this is the right place to be".
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Aus dem amerikanischen Siddur "Ner Tamid":
Was genau bedeutet Kavanah? Es bedeutet, beim Geben den Kopf von allen fremden Gedanken frei zu machen und sich vorzustellen, man stehe vor dem Ewigen. Deshalb sollte man vor dem Gebet eine Weile sitzen und die Gedanken sammeln, um dann ruhig und demütig zu beten. Das Gebet sollte auch nicht als eine lästige Pflicht betrachtet werden, die man möglichst schnell hinter sich bringt bevor man weiter zieht. Deshalb sollte man auch nach dem Gebet eine Weile sitzen bleiben und erst dann gehen.